Laut einer von der Europäischen Kommission veröffentlichten Studie könnte der Anteil des Logistiksektors in den EU-Ländern im Jahr 2050 heute von 14 % auf 40 % des BIP steigen. Eine solch dynamische Entwicklung der Branche wird ohne erhebliche organisatorische und technologische Fortschritte nicht möglich sein. Die Antworten auf diese Herausforderungen sind im Konzept der sogenannten Logistik 4.0 zu finden. Diese Logistik basiert wie Industrie 4.0 darauf, die Erledigung vieler Aufgaben auf Maschinen und Software zu übertragen. Diese Übertragung gilt auch für Entscheidungen im täglichen Geschäft. Was sind die Elemente von Logistik 4.0? Welche Ziele helfen sie zu verwirklichen?
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz ist ein breites und sich dynamisch entwickelndes Wissensgebiet auch innerhalb der Logistik 4.0. Sie ermöglicht unter anderem große Informationssammlungen effektiv auszuwerten, Probleme mit unvollständigen Daten zu lösen. Sie liefert auch die Grundlage um schwierige, komplexe Entscheidungen treffen zu können.
In einem Lagerverwaltungssystem (WMS) können Verfahren der künstlichen Intelligenz bei der Lösung folgender Probleme unterstützen:
Nachfrageanalyse – Algorithmen des maschinellen Lernens ermöglichen eine mehrdimensionale Analyse des Verbraucherverhaltens, um Trends und saisonale Schwankungen in der Nachfrage nach bestimmten Waren zu erkennen.
Optimierung der Lagerplätze – Mit Hilfe der Algorithmen des maschinellen Lernens wird der Prozess der automatischen Zuweisung von Lagerplätzen innerhalb des WMS signifikant verbessert. Bei der Bestimmung des optimalen Lagerplatzes für die Waren, kann das das System viele komplexe und zeitlich abhängige Faktoren und Beziehungen berücksichtigen, wie z. B. Warenbewegungen und Statistiken über die Kombinationen verschiedener Waren innerhalb eines Auftrags.
Zeichen- und Spracherkennung – Algorithmen des maschinellen Lernens tragen dazu bei, die Zuverlässigkeit von bildbasierten Zeichenerkennungssystemen (OCR – Optical Character Recognition) zu erhöhen.
Verwaltung von Prioritäten in Echtzeit – Bei Abläufen in Lagern insbesondere auch von Logistikunternehmen können Staus von Aufträgen auftreten. Dieser Zustand erfordert eine rasche Suche nach einem guten Kompromiss. Die im WMS implementierten Algorithmen des maschinellen Lernens können helfen, die Folgen der potentiell zur Verfügung stehender Entscheidungsoptionen abzuschätzen. Hierbei können auch ökonomische Konsequenzen von Verzögerungen berücksichtigt werden.
Blockchain
Blockchain ist eine Technologie zur verteilten Aufbewahrung verschlüsselter Daten von Transaktionen. Es ermöglicht die Schaffung eines dezentralen Ökosystems das Automatisierung, Rückverfolgbarkeit und Sicherheit garantiert. Im Rahmen der Logistikprozesse werden viele Daten zwischen den Beteiligten ausgetauscht. Blockchain hat den Vorteil, dass gängige Versanddaten, Genehmigungen, Versanddokumente und sogar Daten von Containersensoren wie Temperatur und Gewicht in Echtzeit verfolgt werden können. Wie bei Finanzoperationen resultiert aus der Einführung der Blockchain eine beispiellose Datensicherheit und Transparenz. Ihr Einsatz kann auch das Drucken einer großen Anzahl von Dokumenten zu vermeiden helfen.
Ein gewisses Hindernis für den Einsatz von Blockchain in der Logistik 4.0 ist das Fehlen etablierter Industriestandards für ihre Nutzung. Einige Organisationen wie die Transport Alliance arbeiten jedoch daran, dies zu ändern.
Logistik 4.0 – Digitalisierung der Lieferkette
Der Trend zur Digitalisierung von Lieferketten ist auch mit Trends im E-Commerce und der Auslagerung der Logistik an externe Unternehmen (Logistikdienstleistern) verbunden. Dank der Software ist es einerseits möglich den Informationsfluss zwischen den Partnern zu verbessern und andererseits mögliche Missverständnisse zu vermeiden sowie das Vergleichen von möglichen Ergebnissen zu beschleunigen.
Es existieren zwei Klassen von Anwendungen, die das Lieferkettenmanagement unterstützen. Erste besteht aus Software für Prognosen und strategische Planung. Die zweite Gruppe besteht aus Systemen, die eine detaillierte Steuerung von Prozessen innerhalb der Lieferkette in der Logistik 4.0 ermöglichen.
Planungssoftware für Prozesse der Lieferkette erlaubt die Koordination der Beschaffung und der Verteilung der Waren. Die Systeme berücksichtigen die tatsächlichen Möglichkeiten und Grenzen des jeweiligen Unternehmens. Anwendungen dieser Gruppe ermöglichen den Vergleich verschiedener Szenarien durch was-wäre-wenn-Analysen.
Kontrollsysteme in Lieferketten ermöglichen die Überwachung und Nachverfolgung der Verläufe einzelner Logistikprozesse. Sie erhöhen die Transparenz, ermöglichen die Suche nach Engpässen und Optimierungspotenzialen. Sie schränken auch den Spielraum für mögliche Fehler und Missbrauch ein. Diese Gruppe von Lösungen umfasst folgende Managementsysteme:
- Lager (WMS – Warehouse Management System)
- Zeitfenster (DS – Dock Scheduling)
- Transport (TMS – Transport Management System)
- Werksgelände (YMS – Yard Management System)
Omnichannel
Omnichannel ist eine evolutionäre Weiterentwicklung des Konzepts des Multichannel-Vertriebs (Multichannel). Die wichtigste Neuerung des Omnichannel-Konzepts im Vergleich zum Multichannel ist die umfassende und gegenseitige Durchdringung, Integration und enge Kooperation sämtlicher Vertriebskanäle. Diese Idee der Zusammenarbeit bedeutet in der Praxis, dass Informationen zwischen einzelnen Vertriebskanälen, Abteilungen und Geschäftspartnern des Unternehmens ausgetauscht werden.
Aufgrund der Notwendigkeit eines schnellen und zuverlässigen Informationsaustauschs über das gesamte Liefernetzwerk hat Omnichannel weitreichende Auswirkungen auf die IT-Ebene von Unternehmen. Die bisherige Strategie, unabhängige, spezialisierte Anwendungen (sogenannte Zuständigkeitssysteme) für einzelne Unternehmensbereiche einzusetzen, ist bei Einsatz von Omnichannels unzureichend.
Die Integration von IT-Systemen im Rahmen von Omnichannel eröffnet weitreichende Perspektiven zur Optimierung der Betriebskosten. Es ermöglicht eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen des Unternehmens, verkürzt die Lieferketten und erhöht die Kundenzufriedenheit. Die erfolgreiche Umsetzung einer Omnichannel-Strategie sollte sich in der Sicherstellung der Kompatibilität von Online- und Offline-Daten, der Vereinfachung der Retourenabwicklung und der Synchronisation der Logistikprozesse im Rahmen der Logistik 4.0 für stationäre und E-Commerce-Vertriebskanäle niederschlagen.